Gerhard Richter
Achromatic

8. Feb. – 6. März 2021
Sies + Höke, Düsseldorf

Copyright © Gerhard Richter 2021 (08022021); Sies + Höke, Düsseldorf; Photo Simon Vogel, Cologne

Ein Besuch der Ausstellung ist nur nach Terminabsprache möglich.

Grau ist für mich die willkommene und einzig mögliche Entsprechung zu Indifferenz, Aussageverweigerung, Meinungslosigkeit, Gestaltlosigkeit. (Gerhard Richter, 1975)

Sie stehen im Gegensatz zu seinen farbintensiven Abstraktionen, die Gerhard Richters Spätwerk seit rund zwanzig Jahren bestimmen: Werke, die sich jeder Farbgebung verweigern. Von Beginn seines Schaffens an bilden Grautöne ein zentrales Thema in sämtlichen Werkgruppen des Künstlers - von figürlichen und ungegenständlichen Gemälden und Druckgrafiken über Fotografien bis hin zu Objekten. Die Ausstellung bei Sies + Höke widmet sich diesem reduzierten und zugleich überaus komplexen Verständnis von Kunst, die bei Richter weit mehr ist als reine Malerei. Anhand von über 30 Werken aus den Jahren 1965 bis 2019 wird deutlich, inwieweit Grau – oder vielmehr: die Abkehr von jeder Verführungskraft der Farbe – als konzeptioneller Überbau von Richters Gesamtwerk verstanden werden kann. Doch wie kam es dazu?

Im Sommer 1959 steht Gerhard Richter in Kassel auf der documenta II und traut seinen Augen nicht. Die Bilder von Jackson Pollock und Lucio Fontana sind anders als alles, was er kennt. Schlagartig wird ihm klar: Der DDR-Realismus, dem er als junger Wandmaler in Dresden Folge leisten muss, hat ihn in ein Blickkorsett gesteckt, das keine andere Sicht zulässt als die der Partei. „Ich könnte fast sagen, dass diese Bilder der eigentliche Grund waren, die DDR zu verlassen. Ich merkte, dass irgendetwas mit meiner Denkweise nicht stimmte“, wird er 27 Jahre später im Gespräch mit Benjamin Buchloh sagen. Tatsächlich hat Richter sich nach seinem Besuch in Kassel nie wieder festgelegt – auf keine Denkweise und auf keinen Stil.

1961 flieht Richter in den Westen und studiert an der Düsseldorf Kunstakademie Malerei. Doch obwohl die Konsumwelt des Nachkriegsdeutschlands bunt genug ist, um mit einer gewissen Pop Art-Attitüde auf Massenmedien, Wirtschaftswunder und Kleinbürgerlichkeit zu reagieren, wird ausgerechnet Grau zu dem Farbton, der Richters demonstrativ indifferente Haltung wiedergibt. Als er 1962 die ersten Fotos abmalt, deren Schwarz-Weiß sich in sanfte Grauschleier verwandelt, spiegelt das seinen Entschluss, keiner Realität mehr zu vertrauen, die er nicht selbst erfahren hat. Dass seine Verwischungen auch für den Betrachter mehrere Sichtweisen zulassen, ist ein Novum in der Malerei der Gegenwart: Keine Darstellung ist eindeutig – das vermeintliche Abbild der Wirklichkeit wird plötzlich individuell. Bis heute ist das der Kern von Richters Werk. „Ich misstraue nicht der Realität, von der ich ja so gut wie gar nichts weiß, sondern dem Bild von Realität, das unsere Sinne vermitteln und das unvollkommen ist, beschränkt“, sagt Richter 1972. In einer Welt, die vor manipulierten Fotos überquillt, ist er seiner Zeit um fast ein halbes Jahrhundert voraus.

Dem Farbton Grau misst der Künstler dabei eine zentrale Bedeutung zu. Sie steht für ihn für Unschärfe und Neutralität, kurz: für Richters Freiheit, ohne Urteil zu sein. Hal Foster spricht 2020 von „Neutralität als Schutz vor ideologischer Beschränkung“ und stellt ihn an die Seite von Roland Barthes, „für den das Neutrum Bedeutung nicht auslöscht, sondern vielmehr ‚außer Kraft setzt‘.“ Genau das tut Richter, wenn er Grau in sämtlichen Werkgruppen verwendet – er nimmt dem wertenden Blick des Betrachters die Sicherheit. Ob abgemalte und verwischte Fotos aus der Zeitung oder dem Familienalbum, anonyme Farbtafeln und gerahmte Fensterscheiben, sinnlich-pastose und kaltglatte Monochrome, vielschichtige Abstraktionen und schlichte Spiegelflächen, in denen man nur sich selber sieht: Richter legt sich nie fest auf eine Perspektive.

Es ist diese Methode, mit der sich Richter jedem Korsett entzieht, das sich ihm nach seiner DDR-Zeit aufdrängt. Malerei ist bei ihm nie das, was man von ihr erwartet. Sie wird bei ihm zur Konzeptkunst, mit der er - parallel zu den Entwicklungen in den USA - den Betrachter zum interaktiven Teil seiner Kunst erklärt. Und so bildet bis heute die Farbe, die keine ist, die Grundlage eines Oeuvres, das in keine Schublade passt. Was immer Richter tut, basiert auf einer gänzlich undogmatischen Position. Sein Werk verkörpert die ultimative Freiheit, eine Hingabe ans Experiment – und einen Humanismus fern jeder Didaktik, der in der Gegenwartskunst bis heute seinesgleichen sucht.

Copyright © Gerhard Richter 2021 (0013)
Oil on canvas
50 x 70,5 cm / 19 2/3 x 27 3/4 in.
Copyright © Gerhard Richter 2021 (0020); Photo Simon Vogel, Cologne
Oil on canvas
95 x 115 cm / 37 1/2 x 45 1/4 in.
98,5 x 118,7 x 4 cm / 38 3/4 x 46 3/4 x 1 1/2 in. (framed)
Copyright © Gerhard Richter 2021 (0013); Sies + Höke, Düsseldorf; Photo Simon Vogel, Cologne
Copyright © Gerhard Richter 2021 (08022021); Sies + Höke, Düsseldorf; Photo Simon Vogel, Cologne
Copyright © Gerhard Richter 2021 (08022021); Photo Simon Vogel, Cologne
Black-and-white photograph, wooden box, three panes of glass, three steel balls of different sizes
18 x 13 x 5 cm
Edition of 30
Copyright © Gerhard Richter 2021 (0020); Photo Achim Kukulies, Düsseldorf
Silkscreen in bluish black, blurred with a broad flat brush on white, manually applied ground, on white lightweight card
20,2 x 20,5 cm / 8 x 8 in.
44,5 x 44,5 x 5,5 cm / 17 1/2 x 17 1/2 x 2 1/4 in. (framed)
Copyright © Gerhard Richter 2021 (0020); Sies + Höke, Düsseldorf; Photo Simon Vogel, Cologne
Oil on canvas
50 x 38 cm / 19 2/3 x 15 in.
Copyright © Gerhard Richter 2021 (0020); Sies + Höke, Düsseldorf; Photo Simon Vogel, Cologne
Black offset print on white offset paper
83,9 x 59,3 cm / 33 x 23 1/3 in.
107,5 x 82,5 x 4,5 cm / 42 1/3 x 32 1/2 x 1 3/4 in. (framed)
Copyright © Gerhard Richter 2021 (0020); Sies + Höke, Düsseldorf; Photo Achim Kukulies, Düsseldorf
Copyright © Gerhard Richter 2021 (08022021); Photo Simon Vogel, Cologne
Digital inkjet print on white paper, behind acrylic glass,
mounted on Alu-Dibond-plate
205,5 x 195 cm / 80 2/3 x 76 3/4 in.
Copyright © Gerhard Richter 2021 (0020); Photo Achim Kukulies, Düsseldorf
Copyright © Gerhard Richter 2021 (08022021); Sies + Höke, Düsseldorf; Photo Simon Vogel, Cologne
Oil on canvas
40 x 42 cm / 15 3/4 x 16 1/2 in.
66,5 x 69 x 6 cm / 26 1/4 x 27 1/4 x 2 1/3 in. (framed)

On loan from a private collection.
Copyright © Gerhard Richter 2021 (0020); Sies + Höke, Düsseldorf; Photo Simon Vogel, Cologne
Portfolio of nine black offset prints on card
Each 45 x 45 cm / 17 3/4 x 17 3/4 in.
Each 50,5 x 50,5 x 4 cm / 20 x 20 x 1 1/2 in. (framed)
Copyright © Gerhard Richter 2021 (0020); Photo Simon Vogel, Cologne
Steel, surface treated with wax oil
19,5 x 19,5 x 1,5 cm / 7 2/3 x 7 2/3 x 2/3 in.
Copyright © Gerhard Richter 2021 (0020); Photo Achim Kukulies, Düsseldorf
Gelatin silver print
17,8 x 23,8 cm
40,4 x 46,4 x 4 cm (framed)
Unique

Loan from private collection, not for sale
Copyright © Gerhard Richter 2021 (0020); Sies + Höke, Düsseldorf; Photo Achim Kukulies, Düsseldorf
Copyright © Gerhard Richter 2021 (08022021); Photo Simon Vogel, Cologne
Lacquer on phonograph record
Ø 17,5 cm / 7 in.
Ø 37,5 cm / 14 3/4 in. (framed)
Copyright © Gerhard Richter 2021 (0020); Photo Achim Kukulies, Düsseldorf
Offset print in two shades of black on white lightweight card, mounted on Alucobond and covered with clear spray paint
54,8 x 64 cm / 21 1/2 x 25 1/4 in.
87 x 96 x 6,5 cm / 34 1/4 x 37 3/4 x 2 1/2 in. (framed)
Copyright © Gerhard Richter 2021 (0020); Photo Simon Vogel, Cologne
Copyright © Gerhard Richter 2021 (08022021); Photo Simon Vogel, Cologne
Pigment print on Somerset Velvet White Paper
143 x 153 cm / 56 1/3 x 60 1/4 in.
152,5 x 161,8 x 7 cm / 60 x 63 2/3 x 2 3/4 in. (framed)
Copyright © Gerhard Richter 2021 (0020); Sies + Höke, Düsseldorf; Photo Simon Vogel, Cologne

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