João Maria Gusmão
ALVORADA

14. Mai – 18. Juni 2022
Sies + Höke, Düsseldorf

Copyright the artist; Sies + Höke, Düsseldorf; Photo Simon Vogel, Cologne

Sies + Höke freut sich, mit ALVORADA eine Einzelausstellung von João Maria Gusmão über alles und nichts zu präsentieren. Gezeigt wird eine Gruppe von Fotografien basierend auf Miniatur-Tuschezeichnungen, die der Künstler gemalt, fotografiert und vergrößert hat, sowie eine Reihe von neuen Skulpturen.

Der Titel Alvorada ist portugiesisch für das erste Licht des Tages; er bedeutet Tagesanbruch, erinnert aber auch an den Weckruf des singenden Hahns und den Gesang der Morgenvögel. Es ist die Einstimmung auf eine konzeptuelle Phantasmagorie, die sich entlang der Grenzen von Sichtbarkeit und Repräsentation bewegt. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die Untersuchung der spektralen Dimension von Film und Fotografie, wobei die paradoxen und poetischen Aspekte von statischen oder sich bewegenden Bildern und Objekten betont werden. Eine Sammlung von Kurzgeschichten des Künstlers, die im Begleitheft erscheint, enthält absurdistische Anekdoten, angelehnt an satirische Literatur, die Hinweise zu den Kunstwerken der Ausstellung liefern.

Balancing Rock ist eine Fotografie, die aus einer kleinen kalligrafischen Zeichnung entstanden ist, welche der Künstler auf drei parallelen Post-it-Zetteln schuf. Die Fotografie existiert sowohl in einer Tages- als auch in einer Nachtversion und wird in der zugehörigen Geschichte der Broschüre als großer Felsblock beschrieben, der prekär auf einer Klippe thront und zu einer Pilgerstätte wurde: Tagsüber ist der Felsen ein Stein, nachts verschmilzt er mit dem Firmament. Das Heiligtum zieht verschiedene Arten von Pilgern an: diejenigen, die eine Kamera zum Fotografieren dabeihaben, und diejenigen, die eine Kamera zum Filmen dabeihaben. Erstere behaupten, der Stein sei stabil wie ein Fels, letztere sagen, er sei bereit, jederzeit hinabzustürzen. Gusmão, selbst Filmemacher und Fotograf, platziert hier nicht nur einen Insiderwitz. Er präsentiert eine Art Zen-Rätsel in Zen-Form – die paradoxe Möglichkeit, dass ein Felsen sich sowohl in Ruheposition befindet als auch dabei ist, in den Abgrund zu stürzen; die Idee der Bewegung als Möglichkeit, ausgedrückt in ideogrammatischen, schnellen Pinselstrichen.

Während die Fotografien der Ausstellung auf Miniaturzeichnungen basieren, sind die Bronzeskulpturen der Fotografie verpflichtet: Sie wurden als Negativformen modelliert, als Ausbuchtungen in Tonblöcken. Die Methode bezieht sich auf das sogenannte Fiorelli-Verfahren: eine archäologische Technik, die im 19. Jahrhundert bei Ausgrabungen in Pompeji entwickelt wurde, um Gipsabdrücke von Hohlräumen herzustellen, die menschliche oder tierische Gestalten in der Asche hinterlassen hatten. Die entstandenen Gipsobjekte waren weder Artefakte noch Skulpturen, sondern hatten die Qualität eines Bildes, das aus dem von der Vulkanasche konservierten Negativ entwickelt wurde. Gusmãos Skulpturen, die Torsi, Grabmäler und Lichtquellen darstellen, können in ähnlicher Weise als Bilder von Hohlräumen gelesen werden und erschaffen gewissermaßen ein objekthaftes Schattentheater. Begleitet von den magischen Anekdoten in der Broschüre – märchenhaften Erzählungen, die sich mit Kunstgeschichte, Philosophie und Absurdem Theater paaren – geht es bei den Skulpturen um eine metaphysische Untersuchung der phantasmatischen Natur von Bildern, welche Vorstellungen von Illusion und Realität, Dunkelheit und Licht, Stillstand und Bewegung hinterfragt.

Das Ausstellungsdesign mit den blassgelben Wänden, von denen eine einen kreisförmigen Ausschnitt hat, ist so angeordnet, dass es an eine Art Projektion erinnert: die Sonne in Torso with sun fungiert als Lichtquelle auf einer Seite der Wand und die Tafel in Tombstone and projection als Bildschirm auf der Anderen. Obwohl es in der Ausstellung keine bewegten Bilder gibt, werden Bewegung und Licht (natürliches und künstliches) in einer Reihe von Arbeiten angedeutet. Als Ideogramme für Dinge, die sich bewegen oder nicht / sichtbar sind oder unsichtbar, ähneln die Bronzeskulpturen und Fotografien von kalligraphischen Zeichnungen Storyboards für nicht-narrativen Minimalfilm, der die Grenzen der Repräsentation auslotet.

João Maria Gusmão wurde 1979 in Lissabon geboren, wo er heute lebt und arbeitet. Anschließend an seine künstlerische Zusammenarbeit mit Pedro Paiva (2001 bis 2018) hat Gusmão sein multidisziplinäres Werk allein weitergeführt. Seine parakinematischen Apparate, Bronzeskulpturen, Fotografien und literarischen Texte zeigte er sowohl im Rahmen der umfassenden gemeinsamen Retrospektive mit Paiva 2021 im Serralves Museum in Porto, als auch 2020 im Nouveau Musée National de Monaco. Sein in Zusammenarbeit mit Paiva entstandenes Werk war Gegenstand zahlreicher institutioneller Ausstellungen, darunter Einzelausstellungen u.a. in La Casa Encendida, Madrid, 2018; Kunstverein München (mit Alexandre Estrela), 2018; Haus der Kunst, München, 2016; Aargauer Kunsthaus, Aarau, 2016; KW Institute for Contemporary Art, Berlin, 2015; REDCAT, Los Angeles, 2015; Camden Arts Centre, London, 2015; Kölnischer Kunstverein, 2015 und Hangar Bicocca, Mailand, 2014. Es wurde zweimal auf der Biennale von Venedig gezeigt (2009 und 2013), auf der SeMa Biennale Seoul (2016), der Gwangju Biennale (2010) und der São Paulo Biennale (2006) und befindet sich in einigen der wichtigsten öffentlichen Sammlungen weltweit, darunter SFMOMA, San Francisco; Philadelphia Museum of Art; Centro de Arte Contemporânea Inhotim, Brumadinho; Tate Modern, London; Centre Georges Pompidou, Paris und Museo Reina Sofia, Madrid.

João Maria Gusmão was born in Lisbon in 1979, where he lives and works today. Having collaborated with Pedro Paiva from 2001 until 2018, Gusmão has subsequently continued on his own to create a multidisciplinary body of work that comprises paracinematic devices, bronze sculptures, photographs and writing. He has shown his solo work at the Serralves Museum, Porto, 2021, as part of his extensive retrospective exhibition together with Paiva, and at the Nouveau Musée National de Monaco in 2020. His work produced in collaboration with Paiva was subject to numerous institutional exhibitions, including La Casa Encendida, Madrid, 2018; Kunstverein München (with Alexandre Estrela), Munich, 2018; Haus der Kunst, Munich, 2016; Aargauer Kunsthaus, Aarau, 2016; KW Institute for Contemporary Art, Berlin, 2015; REDCAT, Los Angeles, 2015; Camden Arts Centre, London, 2015; Kölnischer Kunstverein, Cologne, 2015 and Hangar Bicocca, Milan, 2014, amongst others. It was presented twice at the Venice Biennale (2009 and 2013), the SeMa Biennale Seoul (2016), the Gwangju Biennale, (2010) and the São Paulo Biennial (2006), and is held in some of the most important public collections internationally such as SFMOMA, San Francisco; Philadelphia Museum of Art; Centro de Arte Contemporânea Inhotim, Brumadinho; Tate Modern, London; Centre Georges Pompidou, Paris and Museo Reina Sofia, Madrid.

Copyright the artist; Sies + Höke, Düsseldorf; Photo Simon Vogel, Cologne
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About João Maria Gusmão

João Maria Gusmão (*1979) is known for practices and meta-practices ranging from experimental film to photography, sculpture, drawing, literature and curating.

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